Bei manchen Biografien wird sofort klar: Hier liegt Missbrauch/ Gewalt etc. vor. Gleichzeitig gibt es die subtileren, leiseren Geschichten und die Frage ist: Wo fängt es an, dass Kinder durch diese Erlebnisse Schaden nehmen? Ich möchte hier einige Beispiele, Geschichten und Erinnerungen dazu teilen- um Dir ein Gefühl und Verständnis für das Thema zu geben und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Dafür habe ich hier Erinnerungen meiner Coachees aus der eigenen Geschichte, aufgezeichnet und anonymisiert, aus meiner Coaching-Praxis (Mit Einverständnis der Betroffenen)
Mangel im Erwachsenen-Alter hat so viele Gesichter. Es gibt so subtile Muster, Dinge, Erlebnisse und Verhaltensweisen, die Dich tief bis ins Erwachsenenalter negativ prägen. Und es braucht dafür nicht die offensichtliche Gewalt oder förderliche Faktoren des ganzen, die negative Prägungen begünstigen (z.B. als Kind erlebte Trennung, Armut, Arbeitslosigkeit von Bezugspersonen etc.).
Es ist Zeit, endlich hinzusehen. Nachzudenken, inne zu halten und sich bewusst zu machen, wie auch die ganz kleinen Dinge Spuren hinterlassen.
Kleine Momente- große Wirkung
Denn auch die kleinen Geschichten, die sich vielleicht immer mal wiederholen prägen ein Muster, dass kleine Menschen nachhaltig prägen und vielleicht sogar als Erwachsene in toxische Verhaltensweisen fallen lassen. z.B. das sie sich von ihrem Gefühl abschneiden, von ihrem Körper und ihrem Glück. In meiner Praxis arbeite ich mit Klienten an Themen wie:
- Sie fühlen sich taub, können nicht mehr gut ins fühlen kommen
- Sind wie zu einer Art „People Pleasern“ geworden und können nur schwer für ihre Grenzen und Bedürfnisse einstehen
- Fühlen sich irgendwie von sich und vom Urvertrauen/ Selbstvertrauen abgeschnitten
- Tragen spürbar oder unbewusst negative Glaubenssätze in sich, die sie blockieren wie z.B.: „Ich bin nicht gut genug“….
- Sie sind sehr im Kopf, leiden ggfalls. unter Angst, Panik, Unruhe oder einem chronisch dysregulierten Nervensystem
- Sie erfahren, dass Beziehungen schmerzvoll sind bzw. beziehen sich noch oft im Trauma-Bond (Co-Abhängigkeit/ Verstrickung/ Retter/ Opfer) und können schwer eine erfüllte Beziehung leben.
Ausschlaggebend hierfür können Bindungserfahrungen in der Kindheit/ Biografie sein. Der Umgang mit den Bezugspersonen und den Systemen, in denen sie verankert waren. Die Erlebnisse und Beziehungen, die gemeinsam eine Art Knoten oder Kettenreaktion ergeben, die bei Betroffenen oben angegebene Punkte als eventuell hilfreiche Strategie zur Bewältigung erforderlich machen können. Die aber nun nicht (länger) hilfreich sind – und somit lohnt es sich sehr, dort mal näher hinzusehen.
Wichtig: Es muss nicht das EINE Ereignis gewesen sein, nichts wirklich gravierendes, schlimmes, traumatisches passiert sein, um sich im Erwachsenenalter irgendwie leer, blockiert oder eingeschränkt zu fühlen. Aber es können kleine Dinge gewesen sein, die als Puzzle zusammen ein großes Wirr-Warr geben, das mit Unterstützung aufgearbeitet werden darf. Hier einige Beispiele für solche Puzzle-Teile, die dazu beitragen.

Disclaimer: An dieser Stelle geht es mir nicht um Schuld-Zuweisung. Ich bin davon überzeugt, dass jedes Elternteil oder Begleiter sein bestes gibt. Gleichzeitig bedarf es mehr und mehr eigener innerer Bewusstheit, Achtsamkeit und Einkehr der Begleitenden, um diese wenig hilfreichen Aspekte in der Begleitung der Kinder vermeiden zu können.
Mein Körper gehört mir
Ein etwa achtjähriges Mädchen. Wird weggetragen, vom Vater. Die Mutter stumm daneben. Die Lippen fest zusammen gebissen zu einem schmalen Strich. Das Mädchen schreit: Lass mich los Papa, lass mich runter. Weint, schreit, strampelt, verzweifelt. Der Vater bleibt stumm.
Es sind die gleichen Eltern, die dem Mädchen später sagen werden: Wenn jemand Deine Grenzen übertritt – schrei einfach
Wenn Dich jemand berührt oder hält, wo Du es nicht möchtest, gib Bescheid.
Wie soll das gehen? Wie soll dieses Mädchen, dass geliebt wird, aber erfahren hat, dass seine Bedürfnisse und körperlichen Grenzen missachtet wurden, später Grenzen setzen lernen? Es ist nicht sicher, Grenzen zu setzen. Ich bin ohnmächtig ausgeliefert. Ich muss kooperieren, um Liebe zu erhalten.

Ein Geschenk fürs Glück
Vor der Kasse im Spielwarengeschäft. Ein etwa fünfjähriger Junge hält stolz einen Plastikdino in der Hand. Der Vater ist genervt, gestresst und zappelig. Er hebt den Zeigefinger und senkt den Blick zum Kind: „Mit dem musst Du aber auch spielen, der war echt teuer“.
Dem Kind rutscht die Freude aus dem Gesicht. Es sieht das strenge Gesicht des Vaters und ist leicht verwirrt – wohin ist der Spaß? Die Fülle? Die Freude?
Es lernt: Papas Glück ist gekoppelt mit dem Dino. Er ist nicht mehr frei. Es macht Papa glücklich, wenn ich mit dem Dino spiele. Also werde ich es tun. Nicht weil ich den Dino sehnlichst wollte, sondern weil ich möchte, dass Papa glücklich ist.
Was willst Du? Was sollst Du wünschen?
Beim Einkaufen fragt die Mutter ihr Kind: Was möchtest Du essen? Das etwa 8 jährige Mädchen strahlt und sagt: „Pommes“. Die Mutter verdreht die Augen: „Boah, nicht immer nur diesen Scheiss, ich habe Dir doch gesagt, dass wir gesund essen wollen. Also was möchtest Du essen“ – vielleicht lautet die Frage eher: Mit welcher Antwort kann ich meine Mutter nun zufrieden stellen? Es war keine wirkliche Frage, es war der Test, den ich bestehen muss, um Anerkennung zu bekommen. Schaffe ich es, richtig zu antworten? Sie kneift die Augen zusammen, denkt nach. Es ist so eine schwere Wahl: Darf ich sagen, was ich mir wirklich wünsche? Kann ich es aushalten, dass Mama dann unglücklich ist und vielleicht schimpft, weil es nicht genug gesund ist? Ich weiss nicht, was gesund ist. Oder darf ich mir aus freiem Herzen etwas wünschen?
Das Kind wählt die Liebe von Mama, verzieht das Gesicht und sagt leise: Nudeln und Gemüse?

Wer will ich sein?
Das Mädchen ist 14, und es hat sich getraut. Es war so eine harte Wahl, da es so viele verschiedene Typen sein kann. Will sie wirklich die mit der engen, zerrissenen Jeans sein? Oder durchschnittlich bleiben, nicht auffallen? Aber sie möchte so gerne dazugehören, sehen, wie sie sich damit fühlt, testen, ob das wirklich sie ist. So oft hat sie die Hose heimlich im Zimmer getragen. Von der Freundin ausgeliehen und nur allein getragen. Heute ist der große Moment. Sie traut sich. Unsicher kommt sie zum Frühstück herunter. Die Mutter nimmt sie wahr und macht nur eine Geste, die zurück ins Zimmer führt. Heute nicht, denkt das Mädchen. Heute werde ich nicht diese herausragende Person sein. Ich werde heute wieder meine normalen Sachen tragen. Vielleicht irgendwann – vielleicht.
Trauen oder nicht?
Das Mädchen ist etwa 16 Jahre alt, und hat eine erste Einladung, bei einer Party zu übernachten. Es bespricht es mit seinen Eltern. Die Mutter sagt zu ihr: „mach, wie Du denkst. Geh da gerne hin, und habe Spaß, aber an Deiner Stelle wäre ich vorsichtig, da kann eine Menge passieren“. Die Mutter wendet sich ab, schaut schmallippig weg und fängt an, auf dem Handy zu tippen. Gespräch beendet. Die Freude fällt dem Mädchen aus dem Gesicht. Was soll es tun? Es hatte sich noch keine Gedanken darüber gemacht, was passieren soll. Was soll passieren? Was kann passieren? Was meint die Mutter? Weiss sie, dass sie nur 5 Mädchen sind und sie diese alle kennt? Soll ich gehen, auch wenn ich sie damit unglücklich mache oder meinen Freundinnen absagen und meine Mutter damit zufrieden stellen? Warum hat sie mir nicht zugehört?
Spielen oder auf Papa hören
Es war Wochenende. Das etwa 6 Mädchen spielt im Garten. Das Nachbarskind kommt dazu, es wird wild und ausgelassen. Es ist ganz vertieft in die Phantasiereise im Garten, denn sie sind Prinzessinnen. Es hat alles ausgeblendet und geht voll auf im Spiel. Irgendwann sieht es: Papa kommt auf mich zu. Er sieht ganz schön wütend aus und stampft. Er stemmt die Hände in die Hüften und ruft laut: „Warum hörst Du nicht? Es ist Mittagessenszeit! Ich habe doch 3 Mal gerufen! Du weisst doch, dass Du rein kommen sollst“. Das Mädchen ist verwirrt, es hat doch gar nichts gehört. Der Vater packt es am Arm und zieht es rein. „Nächstes Mal kannst du nicht mehr draußen spielen, wenn das so nicht klappt. Zur Strafe bleibst Du heute nachmittag drin“. Das Mädchen hat die Zeit vergessen. Es war im Traumland. Und landet hart wieder in der Realität eines Erwachsenen, mit Ansprüchen an sie, die sie noch gar nicht erfassen kann. Mit der Aufgabe, seine Eltern zufriedenzustellen.
Und nun: Was denkst Du?
Na, was machen diese Geschichten mit Dir? Erkennst Du Dich wieder? Oder Vielleicht denkst Du jetzt: Das ist aber kleinlich. Oder: Ups, das ist mir als Elternteil auch schon passiert. Das ist ok. Denn: Ja, es sind die kleinen Dinge. Und ja, sie können immer wieder mal vorkommen (jeder gibt als Eltern sein bestes) aber sind dennoch prägend für die Kinder.
Wichtig ist folgendes: Denn wenn sie immer wieder vorkommen, markieren sie meist ein Muster der Eltern, was sich durchzieht. Und diese wiederholten Muster sind nicht zuträglich für eine gesunde psychische, seelische und emotionale Entwicklung des Kindes.
Das Problem dabei ist: Die Eltern können meist nur weitergeben, was sie selbst erlebt haben. Vielleicht haben sie selbst ähnliche Erfahrungen in der Kindheit gemacht oder sie wurden in Gefühlen und Bedürfnissen nicht adäquat begleitet. Vielleicht gab es keine stabile Verbindung und Urvertrauen.
Schlusswort
Es ist so wichtig, das als Eltern zu durchbrechen. Gerne unterstütze ich Dich dabei, Deine Verbindung zu Dir zu stärken, Ressourcen aufzubauen und Dich innerlich auszurichten. Dass Du Dein Kind bestmöglich begleiten kannst. Melde Dich gerne bei mir. Ich freue mich auf Dich.
Mehr Ressourcen für Dich
Wenn Du weiter mit mir reisen möchtest, aber erstmal selbst in Themen reinschnuppern möchtest, schau Dich gerne auf dem Blog um:
Blogartikel „Heile Dein inneres Kind“ Heile Dein inneres Kind: Re-Mothering/ Re-Parenting
Blogartikel „Emotionaler Mißbrauch in der Kindheit“ Emotionale Gewalt an Kindern – Der unsichtbare Missbrauch in der Kindheit
Blogartikel „Hochsensibilität & Hypervigilanz“ Hochsensibilität & Hypervigilanz – supersensibel oder chronisch dysreguliert?
Tiefergehende Workshops u.a. zum Thema Meditation, Hypnose, innere Arbeit & Emotionsmanagement findest du hier: Jennifersieck.de/shop
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